Zuletzt aktualisiert 27. Januar 2025
Dem Deutschen Bundestag liegt der Entschließungsantrag „zur Beendigung der Migration“ von CDU-Chef Friedrich Merz und dem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor. Der Antrag enthält unter anderem folgende Punkte:
>>I. Der Bundestag stellt fest:
Die abscheuliche Mordtat von Aschaffenburg, bei der zwei kleine Kinder Opfer eines brutalen Messerangriffs wurden, hat Trauer und Bestürzung in ganz Deutschland ausgelöst. Der Mord an einem der Kinder sowie an einem erwachsenen Mann, der helfen wollte, verdeutlicht eine neue Dimension der Gewalt, die Deutschland zunehmend erschüttert. Sie reiht sich ein in die Terroranschläge von Mannheim und Solingen und den Angriff auf den Weihnachtsmarkt von Magdeburg. Der Deutsche Bundestag weigert sich anzuerkennen, dass dies die neue Normalität in Deutschland ist.
Bei dem Täter handelt es sich um einen 28-jährigen afghanischen Asylsuchenden ohne Schutzanspruch, der ausreisepflichtig war. Er war zuvor bereits mehrfach durch Gewaltakte auffällig geworden; trotz vorübergehender Einweisung in psychiatrische Einrichtungen und bestehender Ausreisepflicht lief er frei herum.
Die aktuelle Asyl- und Einwanderungspolitik gefährdet die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und das Vertrauen der gesamten Gesellschaft in den Staat. Sie wird von ganz überwiegenden Anteilen der Menschen in Deutschland abgelehnt. Die Politik der letzten Jahre hat es versäumt, Kontrolle über die Migration zurückzugewinnen und zu erhalten. Sie hat es versäumt, das geltende nationale Recht durchzusetzen, klare Regeln zu setzen und Fehlanreize für illegale Migration – wie etwa überhöhte Sozialleistungen – zu beseitigen. Sie hat es auch versäumt, innerhalb der Europäischen Union den verbreiteten Bruch des gemeinsamen Rechts durch andere Mitgliedstaaten deutlich zu verurteilen. Die bestehenden europäischen Regelungen – die Dublin-III-Verordnung zur grundsätzlichen Zuständigkeit des Ersteinreisestaates, das Schengen-Abkommen zu den offenen Binnengrenzen, und die Eurodac-Verordnung zur Registrierung von Asylsuchenden – sind erkennbar dysfunktional.
Die Migrationskrise geht maßgeblich aus vom syrischen Bürgerkrieg, den der russische Diktator Wladimir Putin über Jahre angefacht und verlängert hat. Bis heute instrumentalisiert der russische Diktator Wladimir Putin Migration als hybride Waffe, indem er jeden Monat hunderte Menschen über die belarussische Grenze nach Europa sendet. Aufgrund des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges sind mehr als eine Million Ukrainer nach Deutschland geflohen.
In dieser Gesamtsituation ist es die Pflicht Deutschlands und damit der Bundesregierung, nationales Recht vorrangig anzuwenden, wenn europäische Regelungen nicht funktionieren – so wie es in den Europäischen Verträgen für außergewöhnliche Notlagen vorgesehen ist. Deutschland muss die Abwehr von Gefahren und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger an erste Stelle setzen und entschlossen handeln. Es sind sofortige, umfassende Maßnahmen zur Beendigung der illegalen Migration, zur Sicherung der deutschen Grenzen und zur konsequenten Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen, insbesondere von Straftätern und Gefährdern, erforderlich.
Wer die illegale Migration bekämpft, entzieht auch Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage. Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen. Sie will, dass Deutschland aus EU und Euro austritt und sich stattdessen Putins Eurasischer Wirtschaftsunion zuwendet. All das gefährdet Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Deshalb ist diese Partei kein Partner, sondern unser politischer Gegner.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich folgende Maßnahmen umzusetzen:
1.) Dauerhafte Grenzkontrollen:
Die deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarstaaten müssen dauerhaft kontrolliert werden.
2.) Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise:
Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. Diese werden konsequent an der Grenze zurückgewiesen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie einen Schutzgesuch äußern oder nicht, sofern europäischen Nachbarstaaten sie bereits sicher aufgenommen haben.
3.) Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freiem Fuß sein:
Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden. Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss dafür signifikant erhöht werden. Der Bund wird die Länder dabei unterstützen und schnellstmöglich alle verfügbaren Liegenschaften, darunter leerstehende Kasernen und Containerbauten, zur Verfügung stellen. Die Zahl der Abschiebungen muss deutlich erhöht werden. Abschiebungen müssen täglich stattfinden. Abschiebungen auch nach Afghanistan und Syrien werden regelmäßig durchgeführt.
4.) Mehr Unterstützung für die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht:
Der Bund soll die Länder auch weiterhin beim Vollzug der Ausreisepflicht – etwa durch Beschaffung von Reisepapieren und der Umsetzung von Rückführungen – unterstützen. Diese Unterstützung muss weiter ausgebaut werden. Überdies werden Bundesausschreibungen geschaffen, um Rückführungen zu erleichtern. Die Bundespolizei muss die Befugnis erhalten, bei im eigenen Zuständigkeitsbereich aufgegriffenen, ausreisepflichtigen Personen auch selbst und unmittelbar Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam beantragen zu können.
5.) Verschärfung des Aufenthaltsrechts für Straftäter und Gefährder:
Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann. Aus diesem Arrest ist die freiwillige Ausreise ins Herkunftsland jederzeit möglich. Nicht mehr möglich darf hingegen eine Rückkehr nach Deutschland sein.
Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion>>
Hinsichtlich des Antrags ist Folgendes zu beachten:
Analyse zur Migrationspolitik der CDU und zur Position von Friedrich Merz
Im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Debatte zur Migrationspolitik ist der Antrag der CDU, der die Notwendigkeit von Grenzkontrollen und die Zurückweisung illegaler Migration betont, von besonderer Bedeutung. Dieser Antrag stellt Forderungen auf, die im Wesentlichen mit den Argumenten der AfD übereinstimmen – und das schon seit Jahren. Er scheint also einer der zentralen Punkte zu sein, in dem sich die CDU auf einmal mit der Position der AfD deckt. Es stellt sich daher die Frage, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist und warum ausgerechnet der populistische Vorwurf, den die CDU gegen die AfD erhebt, nun nicht mehr gerechtfertigt erscheint.
1.) Die fehlerhafte Darstellung Russlands als Hauptursache für den Syrien- und Ukrainekrieg
Die Darstellung Russlands als Hauptursache für die Zuwanderung ist stark überzogen. Wer einen Blick auf die Migrationszahlen in Deutschland seit den 1970er Jahren wirft, erkennt eine ganz andere Dimension: 1970 lebten rund 2 Millionen Migranten in Deutschland, heute sind es etwa 25 Millionen. Der Ukrainekrieg, der 2022 begann, betrifft lediglich einen Bruchteil dieser Migranten – etwa 1 Million Menschen. Die überwältigende Mehrheit der Migration steht also in keinem direkten Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg. Es ist daher irreführend, den Krieg als Hauptursache für die Migration zu präsentieren. Diese Fehlinterpretation wird durch den Antrag der CDU eher verstärkt als korrigiert, was im Angesicht der historischen Daten problematisch ist. Dass diese Differenz nicht transparent gemacht wird, vereinfacht die Ursachen der Migration und könnte als populistisch wahrgenommen werden.
Die Annahme, dass die Migrationskrise vor allem durch den syrischen Bürgerkrieg und den Einfluss Russlands ausgelöst wurde, ist zu kurz gegriffen. Zwar begann der Krieg 2011 aufgrund politischer Repression und sozialer Unzufriedenheit, aber Russlands Intervention 2015 konzentrierte sich in erster Linie auf die Unterstützung des Assad-Regimes, nachdem die USA bereits 2014 in den Konflikt eingegriffen hatten – und zwar zum Nachteil des Assad-Regimes. Die Migration resultiert jedoch aus einer Vielzahl globaler Faktoren wie Gewalt, Armut und weiteren Konflikten und lässt sich nicht ausschließlich auf das Handeln Russlands zurückführen.
Auch die Vorstellung, dass Russland Migration als „hybride Waffe“ einsetzt, greift zu kurz. Zwar führte Belarus Migranten an die EU-Grenzen, doch Migration ist nur ein Nebeneffekt geopolitischer Spannungen und keineswegs Russlands primäres Ziel.
Die mehr als eine Million ukrainischen Flüchtlinge, die Folge des russischen Angriffskriegs 2022 sind, tragen zwar zur aktuellen Migrationswelle bei, stellen jedoch nicht den Hauptfaktor der „Migrationskrise“ dar, die durch eine Vielzahl anderer globaler Herausforderungen geprägt ist.
Kurz gesagt: Die Migrationskrise ist ein vielschichtiges Phänomen mit zahlreichen Ursachen, die weit über den syrischen Bürgerkrieg und das Handeln Russlands hinausgehen.
2.) Populismusvorwurf: Ein unbegründeter Vorwurf gegen die AfD und die CDU
Ein weiteres Problem im Kontext des CDU Antrags ist der Vorwurf, den die CDU der AfD gegenüber formuliert, nämlich dass diese populistisch handle. Dies ist aus mehreren Gründen problematisch. Der Vorwurf des Populismus wird gerne als „Kampfbegriff“ verwendet, um eine politische Agenda zu diskreditieren und von der eigentlichen Problematik abzulenken. Wenn die AfD in der Vergangenheit die gleichen Forderungen nach Grenzkontrollen und einer restriktiven Asylpolitik aufgestellt hat, dann hat sie – wenn man den Antrag der CDU betrachtet – den Finger auf eine Realität gelegt, die von vielen anderen politischen Kräften, einschließlich der CDU, jahrelang ignoriert wurde. Es ist daher schwer nachvollziehbar, wie man einer Partei Populismus vorwerfen kann, wenn diese in der Vergangenheit Probleme benannt hat, die nun von der CDU selbst übernommen werden. Der Vorwurf des Populismus gegen die AfD verliert in diesem Zusammenhang an Substanz, da der Antrag der CDU in wesentlichen Punkten übereinstimmt.
3.) Friedrich Merz‘ Entwicklung: Ein Paradigmenwechsel?
Ein weiterer Aspekt, der in der Debatte nicht unbeachtet bleiben sollte, ist die Frage, inwieweit Friedrich Merz seine Position zur Migrationspolitik tatsächlich geändert hat. Am 23. Januar 2025 erklärte Merz: „Sollte ich zum Bundeskanzler gewählt werden, werde ich am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium durch meine Richtlinienkompetenz anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarländern dauerhaft zu kontrollieren und sämtliche Versuche illegaler Einreise konsequent zurückzuweisen. Es ist mir völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht. Ich sage nur: Ich gehe keinen anderen. Wer mit mir gehen will, muss sich an diese fünf Punkte halten. Kompromisse in dieser Frage sind nicht mehr möglich.“ Diese Aussage unterstrich seine klare und kompromisslose Haltung zur Migrationspolitik und weckte Erwartungen auf einen Paradigmenwechsel, bei dem Merz die Migrationspolitik der CDU deutlich härter und restriktiver gestalten würde.
Doch der CDU-Antrag lässt in der Tat Raum für eine kritische Reflexion von Merz‘ Haltung. Im Antrag werden zwar Forderungen zu Grenzkontrollen und der Zurückweisung illegaler Migration aufgestellt, die grundsätzlich mit Merz‘ früherer Position übereinstimmen. Allerdings könnte der Ton und die Formulierungen des Antrags den Eindruck erwecken, dass sich Merz von seiner früheren, besonders entschlossenen Aussage vom 23. Januar 2025, in der er kompromissloses Handeln in der Migrationspolitik versprach, nun etwas distanziert. Dies könnte darauf hindeuten, dass Merz in der Praxis bereit ist, einen flexibleren, politisch pragmatischeren Kurs zu verfolgen. Dieser Eindruck führt zu Fragen über die Kohärenz und Authentizität der aktuellen CDU/CSU-Politik, insbesondere hinsichtlich der Migrationspolitik.
4.) Fazit: Eine Unklarheit in der CDU-Position
Abschließend lässt sich sagen, dass der CDU-Antrag und die dazugehörige politische Rhetorik eine gewisse Unklarheit hinsichtlich der tatsächlichen Haltung der Partei in der Migrationspolitik widerspiegeln. Zwar werden klare Forderungen nach Grenzkontrollen und der Zurückweisung illegaler Migration aufgestellt, doch die Formulierungen und der Ton lassen offen, inwieweit Merz seine ursprünglich kompromisslose Haltung tatsächlich beibehalten kann. Es bleibt fraglich, ob die CDU bereit ist, die Migrationspolitik so rigoros umzusetzen, wie es Merz in seiner früheren Aussage angedeutet hat. Diese Unklarheit könnte die Glaubwürdigkeit der CDU und Merz in der Migrationsfrage in Frage stellen und auch die Frage aufwerfen, ob der Antrag nur eine politische Reaktion auf die sich verändernde öffentliche Meinung ist oder ob hier tatsächlich eine tiefere politische Wende vollzogen wird.
Abschließende Bemerkung:
Es scheint, dass Friedrich Merz sich zumindest in gewissem Maße von seiner früheren Aussage „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht“ distanziert hat. Diese Entwicklung könnte den Eindruck erwecken, dass Merz – möglicherweise in dem Versuch, politisch pragmatisch zu agieren – sich von seiner ursprünglichen kompromisslosen Haltung verabschiedet. Angesichts dieser Wendung stellt sich die Frage, ob Merz nun als „Rosstäuscher“ wahrgenommen wird, der versucht, den politischen Kurs zu verschleiern, um breitere Unterstützung zu gewinnen. Die Unklarheit, die durch diese Distanzierung entsteht, könnte in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass Merz seine früheren Worte nicht ernst gemeint hat oder dass es ihm nun weniger um klare Prinzipien als um den Erwerb politischer Macht geht.
David Cohnen
Bild oben: European People’s Party – EPP Political Assembly, 04-05 May 2023, Munich | Lizenz: CC BY 2.0